Die Wiege der CDA steht in Köln

Im Juni 1945 öffnet das "Büro Albers" auf der Breiten Straße in Köln. Es wird zur Anlaufstelle für die ehemaligen christlichen Gewerkschafter und zum Koordinationsbüro für die Gründung der Union. Die christlichen Gewerkschafter hatten sich nach den leidvollen Erfahrungen in der Nazi-Diktatur dazu entschieden, in Einheitsgewerkschaften mitzuwirken. Diese gründeten sie ebenso mit wie die neue Partei CDU.

1946 wurde die Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA) im Herner Kolpinghaus offiziell gegründet. Wenn die CDA auch erst gut 70 Jahre besteht, so geht das politische Wirken der Christlich-Sozialen doch viel weiter zurück. Wurzel der CDA ist das Engagement von Christinnen und Christen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Sie kämpften für die Rechte der Ausgebeuteten, der verarmten Arbeiterfamilien, der Verlierer der Industrialisierung. Später leisteten die Christlich-Sozialen einen wichtigen Beitrag zum Aufbau der Sozialen Marktwirtschaft in der Bundesrepublik nach dem Zweiten Weltkrieg.

Von Beginn an prägen Christlich-Soziale die Volkspartei CDU

Die Sozialausschüsse der Union nehmen früh Einfluss auf die Programmatik der "Mutterpartei". Das 1947 verabschiedete "Ahlener Programm" der CDU trägt ihre deutliche Handschrift. Es ist kein politisches Programm im umfassenden Sinn, vielmehr liegt seine Bedeutung in der Neuformulierung der wirtschafts-, sozial- und gesellschaftspolitischen Ziele für Deutschland nach dem Krieg. Das Anliegen nach einer humanen Wirtschaftsverfassung prägt den Inhalt.

Ahlener Programm bereitet "dritten Weg"

Die Suche nach einer neuen Antwort auf die wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Herausforderungen in Ablehnung der sozialistischen Ordnung einerseits und eines liberalistischen Kapitalismus andererseits steht im Mittelpunkt. So strebt das Ahlener Programm eine Wirtschaftsordnung an, "die die Mängel der Vergangenheit vermeidet und die Möglichkeit zum technischen Fortschritt und zur schöpferischen Initiative des Einzelnen lässt." Der Mensch sollte zukünftig Mittelpunkt und Orientierungspunkt eines jeden wirtschaftlichen Handelns sein - ein Grundsatz, der noch heute für alle Christlich-Sozialen gilt.

Nicht alle Einzelvorschläge, etwa die Vergemeinschaftung zentraler Industriebereiche und zentrale staatliche Planung, erwiesen sich in der Folge als geeignet. Bis heute jedoch hat das "Konzept einer Wirtschaftsverfassung, die die Würde und die Freiheit des Einzelnen sichert, wirtschaftlichen Konzentrationsprozessen entgegenwirkt und Mechanismen dafür entwickelt, wie Konflikte zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern friedlich beigelegt werden können," (Norbert Blüm) Bestand in der Programmatik der CDU. Die Interpretation, das Ahlener Programm sei ein Gesellschaftsentwurf im Sinne eines "christlichen Sozialismus", wird in späteren Kommentaren häufig verwendet und war zunächst auch beabsichtigt. Im Ahlener Programm jedoch findet sich dieser Begriff nicht.

Soziale Marktwirtschaft wird Markenkern der CDU

Ein Jahr später zeigt die Währungsreform und die Freigabe von Preisen und Löhnen erstmals in der Geschichte, welche ungeahnten Kräfte eine freiheitliche und zugleich dem Sozialen verpflichtete marktwirtschaftliche Ordnung freizusetzen vermag. In den "Düsseldorfer Leitsätzen" bekennt sich die CDU 1949 zum Konzept der Sozialen Marktwirtschaft, der Fortentwicklung des Gedankens vom Dritten Weg zwischen Sozialismus und Kapitalismus, wie er im Ahlener Programm angelegt war.

Christlich-Soziale gestalten Regierungspolitik

Nach dem Wahlsieg auf Bundesebene gründet sich im Jahr 1950 die CDU Deutschlands in Goslar. Bis 1969 wird sie, und gemeinsam mit ihr die CDA, als Regierungspartei die Geschicke der Bundesrepublik lenken. Es werden viele fortschrittliche Gesetze erlassen, die die Handschrift christlich-sozialer Vordenker tragen. Die Bundesregierung verabschiedet das erste Wohnungsbaugesetz - ein Schritt, der die Bauwirtschaft des in Schutt und Asche liegenden Landes ankurbelte und zugleich die Wohnungsnot bekämpfte. Durch das Heimkehrer- und das Bundesversorgungsgesetz erhielten über vier Millionen Kriegsversehrte, Kriegshinterbliebene und Kriegswaisen Unterstützungen.

CDA erkämpft mehr Mitbestimmungsrechte und besseren Arbeitsschutz

Nach Auseinandersetzungen mit den Gewerkschaften und innerhalb der Union zwischen Konrad Adenauer und Karl Arnold tritt am 21. Mai 1951 die Montanmitbestimmung in Kraft - ein historischer Kompromiss auch zwischen dem damaligen Bundeskanzler und dem DGB-Gründungsvorsitzenden Hans Böckler. Im Stahl- und Kohlebereich erhalten die Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertreter gleichwertige Mitbestimmungsrechte.

Der Kündigungsschutz wird gesetzlich verankert. Im weiteren Verlauf der Neustrukturierung Deutschlands wird der Mutterschutz ebenso gesetzlich geregelt, wie die Betriebsverfassung, die Arbeitnehmervertretern in Gewerbebetrieben Mitbestimmungsrechte sichert. Der Deutsche Bundestag beschließt im Jahr 1952 die Einrichtung einer Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und die Arbeitslosenversicherung.

CDU führt die dynamische Rente ein

Die erste große Rentenreform, die aufgrund der herrschenden Altersarmut beschlossen wird, koppelt die Rentenleistungen an die Lohnsteigerungen und man vereinheitlicht das Rentenrecht für Arbeiter und Angestellte. Die Rentner sollten dadurch am wirtschaftlichen Fortschritt beteiligt und die Altersarmut überwunden werden. Die dynamische Rente wird Alterslohn für Lebensleistung. Indes bleibt sie ein "Zwei-Generationen-Vertrag", weil Adenauer meinte, Kinder bekämen die Leute ohnehin - ein Trugschluss. Viele Christlich-Soziale hatten schon damals einen Drei-Generationen-Vertrag auch unter Einbeziehung der Familien mit Kindern gefordert. Das zunächst eher mäßige Kindergeld änderte an der Vernachlässigung dieser dritten Generation wenig.

Im Jahr 1966 kommt es zur ersten Großen Koalition zwischen CDU/CSU und SPD. Hans Katzer, der Bundesvorsitzende der CDA und Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, formuliert das Arbeitsförderungsgesetz und setzt die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall gesetzlich durch. Der Bundestag beschließt das von christlich-sozialen Politikern maßgeblich formulierte Berufsbildungsgesetz.

Sozialpolitik in der Ära Kohl

Die CDU kommt 1982 wieder in Regierungsverantwortung. Bundeskanzler wird Helmut Kohl, CDA-Vorsitzender Norbert Blüm wird Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung. Durch die Einführung von Erziehungsgeld, Rentenansprüchen für Erziehungsleistung und Erziehungsurlaub unter Federführung des CDU-Generalsekretärs und Familienministers Heiner Geißler - auch er ein Christlich-Sozialer - wird erstmals die erzieherische Arbeit der Eltern mit einem "gesellschaftlichen Lohn" materiell anerkannt.

In ihrem Programm "Arbeit für alle" fordert die CDA ein "gesetzliches Vorkaufsrecht für Belegschaften". Dieses sollten die Arbeitnehmer in Anspruch nehmen können, falls deren Betriebe veräußert, aufgelöst oder in Konkurs gehen sollten. Im Rahmen der Gesundheitsreform wird der gesetzliche Anspruch auf Pflegeurlaub und Pflegegeld in Kraft gesetzt. Die erbrachte Pflegeleistung wird aufgewertet.

Christlich-Soziale gestalten soziale Wiedervereinigung

Im Herbst 1989 fällt die Diktatur der SED. Kurz drauf wird das erste und einzige Mal in der DDR frei gewählt. Der spätere Bundesvorsitzende der CDA Rainer Eppelmann, schon als Bürgerrechtler aktiv am Sturz des SED-Regimes beteiligt, wird Abrüstungsminister.

Am 3. Oktober 1990 wird das Gebiet der DDR mit dem sozialen Rechtsstaat Bundesrepublik Deutschland vereinigt. Als erste fordern der CDA-Bundesvorsitzende Ulf Fink und der Arbeitsminister Sachsen-Anhalts Werner Schreiber einen "Aufbau-Pakt zwischen Bund, Ländern, Kommunen, Wirtschaft und Gewerkschaften".

CDA erkämpft "Fünfte Säule der Sozialversicherung"

Ebenfalls auf eine Initiative der CDA ist die Einführung der Pflegeversicherung als fünfte Säule der Sozialversicherung im Jahr 1995 zurückzuführen - Norbert Blüm war zuständiger Bundesminister, Karl-Josef Laumann Berichterstatter im zuständigen Bundestagsausschuss. Kurz vor der Abwahl der Regierung Kohl wird das 3. Vermögensbildungsgesetz - ein weiterer Schritt hin zu einer "sozialen Kapitalpartnerschaft" verabschiedet.

Programmatische Arbeit in der Opposition

Das Jahr 1969 bringt einschneidende Veränderungen für die CDU. Das erste Mal seit Gründung der Bundesrepublik ist die Union nicht mehr in der Regierungsverantwortung. Die Partei und ihre Vereinigungen beginnen, sich mit der eigenen Modernisierung zu beschäftigen. Bereits auf ihrer 12. Bundestagung hatten die CDU-Sozialausschüsse ihr Grundsatzprogramm, die "Offenburger Erklärung", verabschiedet. Es wird eine "offene und solidarische Gesellschaft" gefordert, in deren Mittelpunkt der Mensch steht.

In den folgenden Jahren wird die programmatische Arbeit fortgeführt. Die Sozialausschüsse legen Musterregelungen für die Gründung von Arbeitskammern vor, die in enger Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften Bildungs- und Informationsaufgaben übernehmen sollen.

"Junge Arbeitnehmerschaft" führt heftige Debatten

Zentrales Konfliktthema in der Nachwuchsorganisation der CDA ist die Bodenreform. Eine starke Minderheit unterliegt schließlich mit der Forderung "Grund und Boden sind Gemeineigentum. Nutzungsrechte können gewährt werden". Am Ende dieser Diskussion entsteht das Grundsatzprogramm "Radikale Evolution". Als die sozialliberale Koalition 1976 das Mitbestimmungsgesetz für Kapitalgesellschaften außerhalb der Montanwirtschaft, in denen mehr als 2000 Beschäftigte arbeiten, beschließt, fordert die Arbeitnehmergruppe der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, die volle Parität in den Aufsichtsräten einzuführen. Die SPD lehnt dies jedoch aus Koalitionsräson ab, und so erhält der, in der Regel von der Kapitalseite gestellte, Aufsichtsratsvorsitzende für Pattsituationen ein Doppelstimmrecht. Norbert Blüm, damals Hauptgeschäftsführer der Sozialausschüsse, spricht von "Parität mit doppeltem Boden" oder "Doppelstimmrecht". Der Abstimmung im Bundestag waren jahrelange heftige Auseinandersetzungen innerhalb der CDU zur Mitbestimmung vorangegangen.